Die Kreisky'sche Außenpolitik - Aus Sicht seiner engsten Mitarbeiter:innen
Die Geschichte der österreichischen Außenpolitik in der Zweiten Republik ist untrennbar von der Person Bruno Kreiskys. Neben seinem aktiven Engagement im Rahmen des europäischen Entspannungs- und Versöhnungsprozesses (Helsinki-Prozess, OSZE, Naher Osten) machte er bereits als Staatssekretär für auswärtige Angelegenheiten bis 1959 und dann als Außenminister die Beziehungen zu den ehemaligen bzw. Postkolonien zu einem neuen Schwerpunkt der österreichischen Außenpolitik. Viele dieser außenpolitischen Aktivitäten sind dokumentiert und kommentiert. Viele andere drohen in der Geschichte zu verschwinden, weil sie von der Geschichtsforschung nicht ausreichend berücksichtigt und analysiert worden sind. Ein zentraler Grund dafür ist, dass viele internationalen Vernetzungen und Gespräche informell abliefen und daher nicht schriftlich festgehalten wurden. Ein weiterer Grund ist, dass der bisherige starke Fokus auf Kreisky in der Literatur die Rolle von zweitrangigen Akteur:innen weitgehend außer Acht gelassen hat.
Projektbeschreibung
Um diese doppelte Lücke zu füllen, arbeitet das Bruno Kreisky-Archiv derzeit in Kooperation mit dem Institut für Zeitgeschichte der Universität Wien unter der Leitung von Frau Univ.-Prof.in Dr.in Lucile Dreidemy an einem Oral-History-Projekt zur Kreisky’schen Außenpolitik von den 1960er- bis in die 1980er-Jahre. Im Zentrum des Vorhabens stehen Interviews mit engen Mitarbeiter:innen und Wegbegleiter:innen Kreiskys, in denen ein besonderer Schwerpunkt auf Formen der informellen Diplomatie gelegt werden soll, um bislang wenig dokumentierte, aber äußerst wichtige Perspektiven auf Kreiskys Außenpolitik einzufangen.
Wie sah informelle Diplomatie im Kontext der sozialdemokratischen Außenpolitik der Ära Kreisky konkret aus, und welchen Einfluss hatte sie auf die offizielle österreichische Diplomatie dieser Zeit? Wer waren die zentralen Vermittler:innen, wie wurden sie von wem ausgewählt, über welche Kommunikationskanäle liefen die informellen Kontakte, was bewirkten sie konkret und auf welche ideologischen und praktischen Probleme stießen sie?
Das Projekt hat zum Ziel, bislang wenig dokumentierte Perspektiven auf die österreichische Außenpolitik sichtbar zu machen – jenseits offizieller Akten und einer reinen Personalisierung Kreiskys. Neben geführten Oral-History-Interviews werden auch die Fotoalben und Bildbestände des Kreisky-Archivs zu Staatsbesuchen, Verhandlungen und internationalen Ereignissen systematisch erschlossen. Auf diese Weise wird ein breiteres, digital zugängliches Quellenfundament geschaffen, das zur Bewahrung und Erforschung der außenpolitischen Geschichte Österreichs beiträgt.
Die Projektergebnisse werden über eine digitale Plattform des Kreisky-Archivs zugänglich gemacht, die die Interviews als Audio, Transkripte und mit Kontextinformationen bereitstellt. Ergänzend entsteht eine thematische Podcast-Reihe (ca. sechs Episoden), die zentrale Aspekte wie Nahost, Neutralität und Entspannung oder Nord-Süd-Politik aufgreift. Darüber hinaus fließen ausgewählte Inhalte in eine Ausstellung im Bruno Kreisky Forum für internationalen Dialog ein.
Dieses Projekt richtet sich aufgrund seines internationalen Inhaltes nicht nur an ein österreichisches Publikum, sondern an eine globale Öffentlichkeit. Durch die niederschwellige und digitale Zugänglichkeit ist der Zugriff zu den Quellen geografisch nicht begrenzt. Adressiert werden gleichermaßen wissenschaftliche und nicht-akademische Nutzer:innen.
Projektleitung
Univ.-Prof.in Dr.in Lucile Dreidemy, MA (Institut für Zeitgeschichte, Universität Wien)
Projektsupervision
Univ.-Doz. Mag. Dr. Maria Mesner (Wissenschaftliche Leitung, Kreisky Archiv)
Projektmitarbeiter:innen
Dr.in Maria Wirth (Institut für Zeitgeschichte, Universität Wien)
Esther Anatone, BA BA MA (Kreisky Archiv)
Remigio Gazzari (Kreisky Archiv)
Projektlaufzeit
1. August 2025 bis 31. Juli 2026
gefördert von der Stadt Wien (MA7)